MALEREI UND GRAPHIK
» Kirchenfenster
Christopherus, Fenster in der Pfarrkirche St. Ludwig, Saarlouis (1991)
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Lösch mir die Augen aus: ich kann dich sehn,
wirf mir die Ohren zu: ich kann dich hören,
und ohne Füße kann ich zu dir gehn,
und ohne Mund noch kann ich dich beschwören.
Brich mir die Arme ab, ich fasse dich
mit meinem Herzen wie mit einer Hand,
halt mir das Herz zu, und mein Hirn wird schlagen,
und wirst du in mein Hirn den Brand,
so werd ich dich auf meinem Blute tragen.
Rainer Maria Rilke
(Das Stunden-Buch. Von der Pilgerschaft)
Brennender Dornbusch - Exodus, Fenster in der Pfarrkirche St. Ludwig, Saarlouis (1980)
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Nur Leidenschaft, die ihren Abgrund findet,
Läßt deine letzte Wesenheit entbrennen,
Nur der sich ganz verliert, ist sich gegeben,
So flamm dich auf!
Erst wenn du dich entzündet,
Wirst du die Welt in deiner Tiefe kennen:
Erst wo Geheimnis wirkt, beginnt das Leben.
Stefan Zweig
Veronika, Fenster in der Kapelle St. Rochus, Mainz (1980)
ZWISCHEN
deinen Augenbrauen
steht deine Herkunft
eine Chiffre
aus der Vergessenheit des Sandes.
Du hast das Meerzeichen
hingebogen
verrenkt
im Schraubstock der Sehnsucht.
Du säst dich mit allen Sekundenkörnern
in das Unerhörte.
Die Auferstehungen
deiner unsichtbaren Frühlinge
sind in Tränen gebadet.
Der Himmel übt an dir
Zerberchen
Du bist in der Gnade.
Nelly Sachs
Guter Hirte, Fenster in der Pfarrkirche St. Ludwig, Saarlouis (1986)
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Durch alle Wesen reicht der eine Raum:
Weltinnenraum. Die Vögel fliegen still
Durch uns hindurch. O, der ich wachsen will
Ich seh hinaus, und in mir wächst der Baum.
Ich sorge mich, und mir steht das Haus.
Ich hüte mich, und in mir ist die Hut.
Geliebter, der ich wurde: an mir ruht
Der schönen Schöpfung Bild und weint sich aus.
Rainer Maria Rilke
Das Opfer Abrahams – Sich verfangender Widder, Fenster in der Pfarrkirche St. Ludwig, Saarlouis (1984)
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PASSION
... Ein wildes Geschlecht,
Dem auf goldenen Rädern
der Tag davonrauscht.
O, daß frömmer die Nacht käme,
Kristus.
O, der Stachel des Todes.
Verblichene schauen wir uns am Kreuzweg
Und in silbernen Augen
Spiegeln sich die schwarzen
Schatten unserer Wildnis,
Gräßliches Lächeln,
das unsere Münder zerbrach.
Dornige Stufen sinken ins Dunkel,
Daß röter von kühlen Füßen
Das Blut hinströme auf den steinigen Acker.
Jener aber ward ein schneeiger Baum
Am Beinerhügel,
Ein Wild äugend aus eiternder Wunde,
Wieder ein schweigender Stein.
Georg Trakl
Eingejagtes Einhorn, Fenster in der Pfarrkirche St. Ludwig, Saarlouis (1983)
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O DIESES ist das Tier, das es nicht giebt.
Sie wußtens nicht und habens jeden Falls
- sein Wandeln, seine Haltung, seinen Hals,
bis in des stillen Blickes Licht - geliebt.
Zwar war es nicht. Doch weil sies's liebten, war
ein reines Tier. Sie ließen immer Raum.
Und in dem Raume, klar und ausgespart,
erhob es leicht sein Haput und brauchte kaum
zu sein. Sie nährten es mit reinem Korn,
nur immer mit der Möglichkeit, es sei.
Und die gab solche Stärke an das Tier,
daß es aus sich ein Stichhorn trieb. Ein Horn.
Zu einer Jungfrau kam es weiß herbei -
und war im Silber-Spiegel und in ihr.
Rainer Maria Rilke
Schmerzkönig, Fenster in der Pfarrkirche St. Ludwig, Saarlouis (1982)
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Die nachzustotternde Welt,
bei der ich zu Gast
gewesen sein werde, ein Name
herabgeschwitzt von der Mauer
an der eine Wunde hochleckt.
Paul Celan
Die Nachtigal und die Rose, Fenster in der Pfarrkirche St. Ludwig, Saarlouis (1981)
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PSALM
Niemand knetet uns wieder aus Erde und Lehm,
niemand bespricht unsern Staub.
Niemand.
Gelobt seist du, Niemand.
Dir zuliebe wollen
wir blühn.
Dir
entgegen.
Ein Nichts waren wir, sind, werden
wir bleiben, blühend:
die Nichts-,
die Niemandrose.
Mit
dem Griffel seelenhell,
dem Staubfaden himmelswüst,
dir Krone rot
vom Purpurwort, das wir sangen
über, o über
dem Dorn.
Paul Celan
Traubenmadonna, Fenster in Privatbesitz (1977)